Aussagekräftige Indikatoren für eine kürzere Time-to-Hire 

Von Lisa Maclaren, Senior Vice President of Client Delivery 

Die Verkürzung der Zeit bis zur Einstellung (Time-to-Hire) gilt als entscheidender Aspekt des Einstellungsprozesses, damit die richtige Person zur richtigen Zeit am richtigen Ort ist. Genauso wichtig, manchmal sogar noch wichtiger, ist jedoch das Erlebnis von Kandidat*innen und Personalverantwortlichen und letztendlich auch die Mitarbeiterbindung. Trägt die Verkürzung der Time-to-Hire auch diesen Aspekten Rechnung?   

Oft sollen Partner für Recruitment Process Outsourcing (RPO) die Time-to-Hire im Rahmen der Leistungsindikatoren (KPIs) oder vertraglichen und finanziellen Dienstleistungsvereinbarungen (SLAs) verkürzen. Aber ist dies immer der beste Ansatz?  

Viele Unternehmen finden es nützlich, als Teil der Bestandsaufnahme während der Umsetzung einer RPO-Lösung ihre End-to-End-Einstellungsprozesse zu überprüfen.  Eine neue Perspektive kombiniert mit dem fachkundigen Hinterfragen des aktuellen Zustands führt zu einer Umgestaltung der Prozesse hin zu einem zukunftsfähigen Modell.    

Diese prozess- und toolbasierten Lösungen verkürzen den Prozess der Talentakquise oft um einige Tage. Dabei werden Prozessschritte neu konzipiert und automatisiert und das verantwortliche Team wird umstrukturiert. Die folgenden Punkte sind zu berücksichtigen, damit diese Anpassungen durchdacht und produktiv sind:  

  • Das Erlebnis für Kandidat*innen, Personalverantwortliche und Recruiter muss während des gesamten Recruiting-Prozesses herausragend sein. Eine kürzere Time-to-Hire ist nicht immer gleichbedeutend mit einem guten Recruiting-Erlebnis.
  • Unterschiedliche Regionen und Standorte werden durch ihre lokale Kultur, Sprache und Vorschriften beeinflusst. Das wirkt sich auch auf die Dauer des Recruiting-Prozesses aus. Diese Faktoren können den Prozess entweder in die Länge ziehen oder verkürzen.  
  • In verschiedenen Regionen und Ländern gibt es unterschiedliche Makroeinflüsse wie Wirtschaft, Inflation, Wettbewerb und Migration. Sie alle wirken sich darauf aus, wie viel Zeit für die Einstellung von Kandidat*innen benötigt wird.  
  • Die persönlichen Umstände von Kandidat*innen sind stark davon abhängig, wo sie ihren Wohnsitz haben. Dies wiederum hat erhebliche Auswirkungen auf den Zeitplan des Einstellungsprozesses. Alle diese Aspekte liegen außerhalb der Kontrolle des Recruiters. 
  • Durch Vereinfachung kann ein Prozess sicherlich verkürzt werden. Sie sollten aber sorgfältig abwägen, was gefordert und was tatsächlich gebraucht wird. In den einzelnen Schritten wird festgestellt, ob ein/e Kandidat*in für eine Stelle geeignet ist. Stellen Sie jedoch sicher, dass diese Schritte wirklich relevant sind und nicht nur um des Prozesses willen ausgeführt werden.   

Ziele um ihrer selbst willen  

Leistungsindikatoren (KPIs), Dienstleistungsverträge (SLAs) und Managed-Service-Vereinbarungen (MSAs) gewährleisten Struktur, einen rechtlichen Rahmen, den Schutz aller Beteiligten, Governance und Diligence sowie die Umsetzung von Zielen.  Doch schränken sie andererseits Innovation, Kreativität und Flexibilität ein?    

Die aktuellen Marktbedingungen erfordern flexible Einstellungskonzepte, die von Mikrofaktoren geleitet und angetrieben werden.  Allzu oft konzentrieren wir uns jedoch auf die Makroebene. Im Jahr 2022 erleben wir weltweit eine beispiellose Nachfrage nach Recruitern.  Das ist eine Tatsache,  kann jedoch unser Urteilsvermögen trüben. Wir können fälschlich annehmen, dass alle Kandidat*innen bereit sind, mit dem Tempo unserer Prozesse Schritt zu halten, nur weil der Markt hektisch ist.    

Erfahrene Recruiter kennen ihre Märkte genau. Sie verstehen auch die Verhaltensweisen der Kandidat*innen, die für einen bestimmten Markt oder eine Kultur typisch sind.  Der Druck, strikte KPIs zu erreichen, um die Zeit bis zur Einstellung zu verkürzen, kann kontraproduktiv sein.  Recruiter müssen in der Lage sein, ihr Know-how und ihre Einblicke zu nutzen, um die richtigen Gespräche zu führen. Sie müssen Kandidat*innen ausreichend Zeit geben können, um das notwendige Maß an Zuversicht zu erreichen, ihr Interesse zu bekunden und sich für eine neue Stelle zu bewerben. Dies gilt insbesondere für Kandidat*innen, die gar nicht aktiv auf der Suche sind, wenn sie kontaktiert werden.    

In einigen asiatischen und europäischen Ländern steht die persönliche Beziehung im Vordergrund.  Die Kandidat*innen brauchen Zeit, um Vertrauen zu den Recruitern aufzubauen. Erst wenn dies erreicht ist, werden sie diesen erlauben, sie zu vertreten und ihnen neue Gelegenheiten vorzustellen.  Dieser Beziehungsaufbau kann Wochen oder Monate dauern.    

Auf anderen Märkten erwarten Kandidat*innen ein schnelles Verfahren. Jede Verzögerung führt zu Unsicherheit oder der Vermutung, dass sie nicht erfolgreich sind.  Wir müssen uns mit den Kandidat*innen auseinandersetzen, neugierig und aufrichtig an ihren Lebensumständen interessiert sein und die gewonnenen Erkenntnisse nutzen, um sie auf ihrem Weg zu begleiten.  

Recruiter, die sich eingehend mit dem Markt, dem Sektor oder den Qualifikationen befassen, auf die sie sich spezialisiert haben, können Ihnen wichtige Markteinblicke geben. Sie analysieren den Markt für Sie und ihre Ratschläge haben echten Wert.  Mithilfe der empirischen und datengestützten Erkenntnisse, die aus Gesprächen, Untersuchungen und KI-Tools gewonnen werden, können Personalverantwortliche und HR-Geschäftspartner besser verstehen, was in einem spezifischen Markt realistisch ist.  Das begründet Einstellungsstrategien, die wirklich etwas bewirken, anstatt nur Zahlen oder Statistiken zu vermitteln.  

KPIs können den Enthusiasmus von Personalverantwortlichen dämpfen und sie unter Druck setzen, einen Prozess zu forcieren, oder – schlimmer noch – Kandidat*innen zu drängen, ihre Entscheidung schneller zu treffen, als ihnen lieb ist.  Für Recruiter kann dies zu Unzufriedenheit mit der eigenen Arbeit, zum Burn-out und zum Gegenteil der beabsichtigten Wirkung führen.  Kandidat*innen hingegen könnten sich aus einem Prozess oder einer Rolle zurückziehen, die vielleicht gut zu ihnen passt, weil ihnen nicht die nötige Zeit für eine Entscheidung gewährt wird.    

In vielen Kulturen ist der Wechsel des Arbeitsplatzes eine gemeinsame Entscheidung, bei der Rücksprache mit der weiteren Familie oder mit Mentoren erwartet wird. In manchen Fällen ist deren Zustimmung zu einem Wechsel sogar Voraussetzung.  Dies erfordert Zeit, ist aber ein wesentlicher Aspekt, der berücksichtigt und integriert werden muss, um sicherzustellen, dass die Kandidat*innen sich in den Einstellungsprozess eingebunden fühlen.  

Sollte die „Time-to-Hire“ überhaupt als KPI genutzt werden?  

Die Zeit bis zur Einstellung als KPI ist eine Möglichkeit, die Erwartungen klar zu formulieren, die Leistung Ihres Recruiting-Teams zu steigern, interne und externe Ziele zu erreichen und einen Mehrwert für Ihr Unternehmen zu schaffen.  Es geht nicht darum, diese Kennzahl komplett abzuschaffen, sondern darum, sie mit Bedacht einzusetzen und regelmäßig zu überprüfen, damit sie in der sich verändernden Recruiting-Landschaft weiterhin ihren Zweck erfüllt. Es empfiehlt sich auch, einen definierten Prozess für den Umgang mit Ausnahmen zu haben, damit Recruiter ohne negative Auswirkungen auf die vertraglich festgelegten Ziele das tun können, was für ihre Kandidat*innen und deren Recruiting-Erlebnis am besten ist.  

Es gibt viele Nuancen im Hinblick auf die „Time-to-Hire“.  Sie ist je nach Ort und Candidate Journey persönlich unterschiedlich.  Diese Journey ist die erste Erfahrung von Kandidat*innen mit Ihnen als künftigem Arbeitgeber.  Der Eintritt in ein Unternehmen kann eine lebensverändernde Entscheidung sein, deren Auswirkungen weit über den Einfluss des Arbeitgebers hinausgehen.  Die Entscheidung von Kandidat*innen sowie der Zeitpunkt und die Umstände hängen nicht von den Kriterien des Kunden oder des Recruiters ab.   

Wenn Sie den Kandidat*innen zuhören und Ihren Markt genau kennen, werden Sie merken, ob der Prozess langsam oder schnell ablaufen sollte.  Wenn Sie Ihren Kandidat*innen und manchmal auch den Personalverantwortlichen Raum und Zeit geben, um ihre Entscheidungen zu treffen, werden Sie bessere Ergebnisse erzielen.  Die Auswirkungen sind messbar – von einer höheren Konversionsrate vom Stellenangebot bis zum Onboarding, einer stärkeren Mitarbeiterbindung bis hin zu besseren NPI-Scores (Net Performance Indicator) oder Glassdoor-Bewertungen.


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